Am Samstag den 10. Oktober verwandelte sich die Bühne des Opernhauses Kiel in einen Schauplatz aus Lügen, Mord, Verrat und Rache, ein fulminanter Auftakt der Inszenierung von Georg Friedrich Händels Barockoper "Giulio Cesare in Egitto – Julius Cäsar".
Die 1723 von Händel geschriebene Oper spielt im alten Ägypten, wo Ptolemäus regiert. Seine Schwester Cleopatra strebt nach der alleinigen Herrschaft und versucht Julius Cäsar, der von Ptolemäus gefangen gehalten wird, auf ihre Seite zu ziehen. Auch die entzürten ebenfalls in Gefangenschaft lebenden Cornelia und Sextus trachten dem Regenten nach dem Leben ...
Die Brutalität des Stückes mit abgeschlagenen Köpfen, angedrohter körperlicher Gewalt und den machtgierigen Herrschern war den Menschen Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts vertraut. Doch lässt sich die Menschlichkeitsstudie auch glaubhaft in die heutige Zeit transportieren.
Im Zentrum des "dramma per musica" steht vor allem das Thema "Macht" – Macht über ein Land, Macht über Menschen und Macht über die eigenen Gefühle. So ist die Figur des Ptolemäus, Herrscher über Ägypten, noch heute übertragbar auf den skrupellosen Regenten, der für die Verfolgung seiner Ziele über Leichen geht. Überzeugend dargestellt, wenn gleich auch etwas zu sehr ins Humoreske abdriftend, verkörpert Tomohiro Takada den Tyrannen mit anmutigem Bariton.
Cäsar, brillant in Szene gesetzt von Countertenor Antonio Giovannini, macht im Laufe der Geschichte eine große Wandlung durch: Sein anfängliches Auftreten steht im Kontrast zu der Herrscherfigur, die in den Geschichtsbüchern auftaucht; so ist er eher gebrechlich, lässt sich geradezu naiv auf die Verführungskünste der Cleopatra ein und besingt sein Dasein in melodramatischen Arien. Im Laufe der Handlung überwindet er dann aber schließlich seine Melancholie und wird gepackt vom Siegeswillen.
In der Figur der Cleopatra glänzte Heike Wittlieb mit ihrem Barocksopran-Gesang. Anfänglich zeigt sie sich als egoistische Frau, die um jeden Preis die Macht erlangen will. So sind die Arien auch geprägt von Reflexionen ihrer Selbst. Letztendlich kann man ihr aber doch das Gute nicht komplett absprechen. Denn auch wenn ihre Motive, den Gefangenen des Ptolemäus zu helfen, eher daher rühren, dass sie sich den ungeliebten Bruder so aus dem Weg schaffen will, schimmert immer wieder auch ehrliches Mitgefühl hindurch.
Stark besetzt sind auch die Nebenrollen. Die gastierende Griechin Eleni Voudouraki zieht als Cornelia, leidende Witwe des von Ptolemäus ermordeten Pompejus, das Publikum mit wunderschönen Alt-Klängen in den Bann. In der Rolle ihres Sohnes Sextus, der sich dem Publikum zunächst als Knabe präsentierte, der Trost bei der Mutter suchte, schließlich aber zum Mann heranreift und den Mörder des Vaters stellt, brilliert Amira Elmadfa. Als Achillas, der von den Intrigen Ptolemäus’ geblendete Handlanger, der sich aber schließlich doch zum Guten wendet, überzeugt Kyung-Sik Woo.
Choreographin und Regisseurin Silvana Schröder schafft einen stimmigen Ablauf und setzt die Arien der Akteure gekonnt in Szene. Sie schafft es, eine in einem zeitlichen Kontext angesiedelte Geschichte zeitlos zu machen und ohne zu übertrieben zu wirken eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen.
Unterstützt wird sie dabei von Ausstatter Andreas Auerbach, der auf der Bühne für dramatische Licht- und Schattenspielen sorgt und so die Szene belebt.
Nicht zuletzt durch das hervorragende Philharmonische Orchester unter der musikalischen Leitung von Rubén Dubrovsky wird das Ensemble abgerundet und es bietet sich dem Zuschauer eine wundervolle Darbietung einer der bekanntesten Opern Händels.
Das schönste Lob für einen Künstler ist immer die Reaktion des Publikums – und geht man danach, wurde das Ensemble mit Lob geradezu überhäuft. Mehrere Minuten langer Applaus sprechen da für sich.
Die nächsten Aufführungen von "Julius Cäsar" sind am 17. und 30. Oktober, am 15. November und am 5. und 27. Dezember, Karten gibt es unter (0431) 90 19 01.
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Fotos: struck-foto