Die Falknerei ist eine faszinierende Kunst, die über 3.000 Jahre zurückgeht. KIELerLEBEN-Redakteurin Dana Wengert hat der Falknerin Klaudia Brommund über die Schulter geschaut und viel über die Tiere, die Arbeit mit ihnen und über Freundschaft gelernt.
Ein Blick in Richtung Ziel und schon stößt sich der Greifvogel von seinem Ast ab. Ein paar kurze, kräftige Flügelschläge, dann gleitet das Tier elegant wenige Meter über dem Boden. Seine Flügel sind gespreizt, und das Ziel, den Arm seiner Trainerin, behält er immer im Visier. Ein kurzer Aufschwung und mit den Füßen voran landet der Vogel am gewünschten Ort, lautlos und doch kraftvoll.
„Toll, Lancelot!“, lobt Klaudia Brommund. Sie ist seit 20 Jahren Falknerin, seit 1998 in ihrer „Horus Falknerei“ in Westensee. Zufrieden rupft Lancelot währenddessen das Stück Fleisch zwischen ihren Fingern hervor, seine Belohnung. Die Hand ist mit einem ledernen Falknerhandschuh geschützt. „Lancelot und ich sind zwar inzwischen Freunde, doch die Krallen und den Schnabel eines Greifvogels darf man nie unterschätzen“, erklärt die Expertin und streichelt dem Vogel liebevoll über seine Federn. Lancelot ist ein Harris Hawk, ein Wüstenbussard. Die Tiere sind von allen Greifvögeln die sozialsten und auch die einzigen, die in Gruppen jagen. Beeindruckend ist hierbei die Verständigung: Über das sogenannte „morphogenetische Feld“ weiß jeder Vogel genau, wo der andere ist, und es findet sogar eine Art Kommunikation statt. Harris Hawks sind Grifftöter, daher auch der Anflug mit den Krallen voran. In freier Wildbahn stürzt sich der Vogel auf das Beutetier und drückt so lange mit den Krallen zu, bis es sich nicht mehr bewegt. Für die Falknerei eignen sich besonders männliche Tiere, da in der Natur vorrangig die Weibchen jagen. Daher sind die Männchen friedfertiger, ein Grund von vielen, warum sie sich auch hervorragend zur tiergestützten Therapie eignen.
Diese Therapie wird auch in der Horus Falknerei angeboten. Klaudia Brommund und ihre Vögel – Harris Hawks, Falken und Adler – arbeiten viel mit Kindern, die zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten oder ADHS haben. Da die Arbeit mit den intelligenten Tieren Feingefühl und Geduld erfordert, ist eine Therapie mit den Vögeln ein perfekter Ansatz. Der Umgang mit ihnen schult Kooperation, Konzentration, Koordination und Kommunikation. Die Erfolge, die ein Patient erzielt, sind sofort sichtbar – der Vogel macht, was er soll, oder eben nicht. Direkte Erfolgserlebnisse und die steigende Zuwendung des Tieres fördern Selbstbewusstsein, Stolz und Lebensfreude. „Und zwischen dem Tier und dem Menschen bildet sich schnell eine echte Freundschaft, das hilft den Patienten auch sehr“, erklärt die ausgebildete Tiertherapeutin Klaudia Brommund. Neben Kindern mit ADHS oder Autismus, die auf diese Art insbesondere die Konzentration schulen, erzielen auch Patienten mit Angstzuständen und Depressionen beeindruckende Ergebnisse.
Zur Horus Falknerei gehören auch noch andere Tiere, die unter anderem zu Therapiezwecken eingesetzt werden, wie der riesige Wolfshund, das Minipony oder das Araberpferd. Wenn sich die Falknerei auf Veranstaltungen wie Märkten oder Mittelalterfestivals präsentiert, hat jeder die Möglichkeit, bei den Shows die Tiere hautnah kennenzulernen. „Man muss das einfach einmal miterlebt haben. Besonders die Vögel beeindrucken durch ihre Eleganz, ihren Anmut, mit dem sie jagen, ihr Tempo und ihre Geschicklichkeit. Und im nächsten Moment streichelt und füttert man so ein Tier, das ist für viele Menschen eine tolle Erfahrung“, beschreibt Klaudia Brommund.
Und Lancelot? Der sitzt immer noch zufrieden auf dem Arm seiner Trainerin, seiner Gefährtin. Weise blicken seine braunen Augen in die Höhe. Klaudia Brommund lächelt dem Harris Hawk zu. Fast scheint es, als würde er ihr Lächeln mit seinen Augen erwidern. Mit einem Nicken zur nahegelegenen Baumkrone schwenkt die Falknerin kurz ihren Arm, um den Wüstenbussard zum Abflug zu ermutigen. Anmutig schwingt sich dieser auch sogleich in die Höhe und landet kurz darauf auf einem Ast. Frei, wie es nur ein Vogel sein kann. Klaudia Brommund erklärt lächelnd: „Falknerei ist die Kunst, ein freies Wesen an sich zu binden, indem man ihm immer wieder die Freiheit schenkt.“
Dana Wengert
Mehr über die Horus Falknerei:
www.horus-falknerei.de, Tel.: (04305) 991 39 72 (Bürozeiten 9–14 Uhr)