Judith Holofernes ist zweifache Mutter und Frontfrau der Band „Wir sind Helden“. Wir haben mit ihr über das Gefühl von einem Zuhause, Tourneen mit Kindern und Promis in Kiel gesprochen.KIELerLEBEN: Judith, was bedeutet dir dein Zuhause?
Judith Holofernes: Wenn ich an unser Zuhause denke, geht mir das Herz auf. Ich liebe unsere Wohnung, brauche Kreuzberg und bin wahnsinnig gerne dort. Ulkigerweise habe ich immer ein völlig unangemessenes Gefühl von Urlaub, wenn wir in unsere Straße hineinfahren. In der ersten Zeit fühle ich mich dann wie ein Tourist im Stadtviertel. Das liegt wohl am Beruf: Arbeit bedeutet, unterwegs zu sein.
Heißt euer aktuelles Album deshalb „Bring mich nach Hause“?
Das Zuhause, um das es auf der Platte geht, ist eher ein inneres Zuhause, auf das man in unserem Beruf noch mehr angewiesen ist, damit man es überall aushalten kann. Ich habe aber zuletzt festgestellt, dass ein äußeres Zuhause wichtig für ein inneres Zuhause ist: Beständigkeit, Ruhe, Rückzug.
Schöne Stichwörter, aber inwieweit kannst du dich denn als bekanntes Gesicht in Berlin frei bewegen?
Das Gute an Berlin ist, dass die Leute hier so abgebrüht sind. In Kreuzberg oder Prenzlauer Berg ist man gewohnt, dass da immer mal einer rumspringt, den man aus dem Fernsehen kennt. Daher kann ich tagelang vergessen, dass uns die Leute wahrscheinlich kennen. Ich habe zum Beispiel erst nach anderthalb Jahren kapiert, dass der Bäcker weiß, was wir beruflich machen. Aber er lässt es sich nicht anmerken. Wenn wir dann beispielsweise mal in Düsseldorf durch die Fußgängerzone flanieren, dann wundern wir uns, dass alle gucken. Das vergisst man hier in Berlin, und das ist super. Ich weiß nicht wie es in Kiel ist …
… na ja, so viele Promis bekommt man hier nicht zu Gesicht.
(Lacht) Ich werde es einfach mal ausprobieren, denn mein Vater wohnt seit kurzem in Kiel, dann werde ich ja sehen, wie es bei euch für mich ist.
Echt? Wie kommt’s?
Der Liebe wegen. Und jetzt haben wir Familie in Kiel und werden wahrscheinlich relativ häufig in Kiel sein.
Das nächste Mal bist du ja ohnehin schon am 18. März im Rahmen eurer Tour in Kiel. Wie doll ist das Kribbeln in den Fingern?
Wir freuen uns wahnsinnig. Wir haben gerade sechs Wochen Urlaub hinter uns, werden topfit sein und mit rosigen Wangen auf die Bühne gehen.
Pola und du, ihr habt mittlerweile zwei Kinder, euer Gitarrist Jean hat eins. Was machen die Kids, während ihr auf Tour seid?
Wir haben die Kinder bei uns, und alles so gestaltet, dass sie eine Art rollendes Zuhause haben: Der Bus wurde umgebaut, wir haben eine Kiste mit einem mobilen Kinderzimmer – also Eisenbahnen, Autoteppich, Bücher, Windeln, Gläschen – dabei, was wir überall auspacken können. Außerdem haben wir für jede Stadt eine Mappe, damit wir wissen, wo der nächste Zoo oder Spielplatz ist. Aber auf der Herbsttour wollten die Kinder meistens doch bei uns in der Halle bleiben, da sie die Spielkiste so geil fanden.
So herzerfrischend Kinder sind, ist das nicht sehr anstrengend?
Wenn man Kinder hat, ist man mehr auf Routine und feste Abläufe angewiesen, und das ist kaum möglich, wenn man so viel unterwegs ist. Außerdem darf kein Babysitter ausfallen, sonst sitzen wir alle gleich superdoll in der Sch… (lacht).
Sprichst du aus Erfahrung?
Stimmt. Eigentlich kann man nie genug Babysitter dabei haben – wir haben normalerweise zwei. Aber auf der Herbsttour kam es vor, dass eine Babysitterin nach vier Tagen mit Schüttelfrost im Bett lag und die andere genau an dem Tag kurz nach Berlin zurückmusste. Zum Glück war meine Mutter gerade da. Auf der Tour im März ist auch noch Jeans Frau mit dabei. All diese Unterstützung gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.
Vermisst du denn das Touren ohne Kids?
Für mich waren lange Tourneen schon immer zwiespältig. Ich habe viele Allergien, kann nicht alles essen, erkälte mich wahnsinnig leicht, darf aber nicht krank werden, da ich singen muss. Touren war schon immer mit viel Druck verbunden – auch ohne Kinder. Aber ich spiele nun mal wahnsinnig gerne Konzerte und bin auch ein absolutes Herdentier. Mit den gleichen Leuten wie auf Klassenfahrt zusammen zu sein, macht mir total Spaß. Ich gehe dann auch immer viel zu spät ins Bett, obwohl ich kleine Kinder habe. Und jeder, der mit seinen kleinen Kindern einmal im Jahr ein paar hundert Kilometer zu Oma fährt, weiß, wie aufwändig es ist, mit Kindern jeden Tag woanders zu sein. Mittlerweile sind wir es gewohnt, aber ob mit oder ohne Kinder – touren ist immer anstrengend.
Das Interview führte Olaf Ernst
Wir sind Helden spielen live im Rahmen ihrer „Bring mich nach Hause“-Tour in der Halle400 am 18. März 2011. Tickets gibt es bei der Konzertkasse Streiber, unter www.mittendrin-gmbh.de und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Judith Holofernes,
geboren am 12. November 1976 in Berlin, ist die Frontfrau der Band „Wir sind Helden“, die sich im Januar 2000 in Hamburg gründete. Ihren Durchbruch hatten sie 2002 mit dem Song „Guten Tag“. Ihr neues Album „Bring mich nach Hause“ ist am 27. August 2010 erschienen. Seit dem 17. Juli 2006 ist Judith Holofernes mit Pola Roy, dem Schlagzeuger ihrer Band, verheiratet. Im Dezember 2006 kam ihr gemeinsamer Sohn Friedrich zur Welt, im August 2009 ihre gemeinsame Tochter Mimi Lucille. Judith wohnt heute mit Ehemann und Kindern in Berlin-Kreuzberg.
„Ich gehe auf Tournee immer viel zu spät ins Bett, obwohl ich kleine Kinder habe.“Heldin in Aktion: Judith Holofernes auf der Bühne
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Fotos: Billy & Hells, random.places on flickr.com