Dank TV-Schuldnerberater Peter Zwegat steht die Berufsgruppe in einem ungeahnten öffentlichen Interesse. Doch auch Kiel hat einen genauso sympathischen und kompetenten Schuldnerberater: Hardy Bickel.
KIELerLEBEN: Herr Bickel, gibt es einen Zeitpunkt, ab dem verschuldete Menschen zu Ihnen kommen sollten?
Hardy Bickel: Ich sage nie zu Menschen, die in meine Beratung kommen: „Sie hätten früher kommen müssen.“ Ich weiß selbst, wie schwer es ist, sich unter Umständen eigenes Versagen einzugestehen und diesen Schritt zur Schuldnerberatung zu wagen. Diesen Zeitpunkt muss jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn jemand zu mir kommt, der bereits seit 25 Jahren hochverschuldet ist, wird er genauso gut beraten wie jemand, der weiß, dass ihm in sechs Monaten die Arbeitslosigkeit droht.
Die Hemmschwelle, den Schritt zum Schuldnerberater zu wagen, liegt also sehr hoch …
Das ist auch gut so. Überschuldung ist eben ein sehr ernstes Problem, das nicht mal eben so aus der Welt zu schaffen ist und das die Menschen zuvor versuchen, selbst zu lösen. Was nicht bei allen klappt. Wagen sie erst mal den Schritt zu mir, werden sie die Fehler der Vergangenheit höchstwahrscheinlich kein zweites Mal begehen.
Besteht die Hemmschwelle auch noch, wenn ein Schuldner vor Ihnen sitzt, indem er dann beispielsweise nur sehr zögerlich von seinem Schicksal berichtet?
Das ist eine Frage der Gesprächstechnik, die man anwendet. Ich beginne jeden Fall eigentlich mit einer banalen, offen gestellten Frage, wie: „Wobei kann ich behilflich sein?“ Und dann reden die meisten schon drauflos, da sie spürbar das Bedürfnis haben, offen über ihre Situation zu sprechen, es bislang aber nicht konnten. Ich steuere das Ganze dann nur noch. Der Schritt zu mir befreit häufig auch.
Das Schuldner- und Insolvenzberatungszentrum Kiel berät 1.800 Menschen pro Jahr
Wie viele Menschen beraten Sie pro Jahr?
Das Schuldner- und Insolvenzberatungszentrum Kiel berät 1.800 Menschen pro Jahr. Ich persönlich habe seit meinem Beginn 1990 etwa 14.000 Menschen betreut.
Wie hoch ist Ihre „Erfolgsquote“, also wie häufig verhelfen Sie Klienten aus den Schulden?
Über den Daumen gepeilt schaffen etwa zwei Drittel der Menschen, die zu uns kommen, ihr Ziel, sich finanziell zu sanieren. Ob sie wirklich schuldenfrei bleiben, wissen wir natürlich nie. Aber auf der anderen Seite ist Kiel auch ein Dorf , und viele der Menschen, die ich beraten habe, treffe ich im privaten Rahmen auch wieder. Überwiegend bekomme ich dann zu hören: „Die Finanzen gehören nicht mehr zu meinen Problemen.“
Welche ist denn die gängigste Methode, mit der Sie den Menschen helfen?
Wir sind in Bezug auf unser eigenes Zutun eher zurückhaltend. Ich bin schon immer fest der Meinung gewesen, dass der Entschluss der Menschen, so nicht mehr weiterzumachen und sich vom Spezialisten helfen zu lassen, das Entscheidende ist. Wir moderieren und begleiten lediglich und leisten die Vermittlungs- und Sachbearbeitung, also bürokratische Hilfe.
Können Sie sich noch an einen extremen Fall erinnern?
Durchaus, an einen extrem schönen: Ein ehemaliger Unternehmer hatte drei Millionen D-Mark Schulden. Ich darf natürlich zu den genauen Umständen keine Angaben machen, aber wir haben mit den Gläubigern Vergleiche in Höhe von 60.000 D-Mark geschlossen, und damit war der Mann schuldenfrei …
… wie bitte?
Ja, das ist krass. Es hatte natürlich ganz bestimmte Gründe, aber es funktionierte. Eigentlich ein Fall für meinen Fernsehkollegen (lacht), der würde es auch nicht besser hinbekommen …
Ich habe die TV-Sendung von Peter Zwegat noch nie gesehen
Sie meinen wahrscheinlich Peter Zwegat. Hat sich in Ihrem Arbeitsalltag seit der Fernsehsendung etwas verändert?
Nein. Und unser Beruf hat mit dem im Fernsehen Dargestellten nicht viel zu. Ich habe Peter Zwegat persönlich kennengelernt, wir haben ja beide einmal den gleichen Beruf ausgeführt. Aber mir wurde von Kollegen erzählt, dass er mittlerweile als Zauberer und Heilsbringer auftritt (lacht). Ich kann es aber persönlich nicht bestätigen, denn ich habe die Sendung nämlich noch nie gesehen, aber wir sprechen natürlich darüber.
Warum haben Sie die Sendung denn noch nie gesehen?
Warum sollte ich? Ich habe die Fälle an meinem Arbeitsplatz täglich in Farbe. Außerdem gefallen mir TV-Formate nicht, wo sich Menschen vorführen lassen. Auch wenn es womöglich nur Schauspieler sind.
Was stimmt denn laut der Kollegen nicht überein?
Die Schuldnerfälle werden wohl innerhalb kürzester Zeit gelöst, obwohl Schuldnerberatung eher ein langfristiges und prozessuales Verfahren ist. Sachliche Fehler kommen wohl auch hin und wieder mal vor. Da schmunzeln die Kollegen drüber und meinen: „Da hat der Peterle wohl vergessen, sich auf den aktuellen Stand zu bringen.“
Ich würde meinen Beruf sofort gegen breiten Wohlstand tauschen
Hatten Sie eigentlich mal Schulden?
(lacht) Als ich meine Wohnung gekauft habe, hatte ich Schulden. Konsumentenschulden hatte ich glücklicherweise nie. Ich bin da konservativ und gebe nur das aus, was ich habe.
Eigentlich wäre es doch großartig, wenn wir alle glücklich und unverschuldet in Wohlstand leben würden, dann hätten Sie allerdings keine Arbeit mehr. Was sagen Sie dazu?
Ich bin in den 1970er Jahren aufgewachsen. Das ist für mich das Jahrzehnt, in dem es breiten Wohlstand gab, der vielen Menschen zur Verfügung stand. Wenn wir das noch mal wiederkriegen könnten und ich dafür diesen Job nicht mehr hätte, ich würde sofort tauschen. Ich finde dann schon was anderes …