Schon eine simple Geste kann eine enorme Hilfe sein. Steffi Kriebel spendete ihren Zopf, um die Lebensqualität eines an Krebs oder Haarausfall erkrankten Kindes erheblich zu verbessern.
In dem Friseursalon von FON in der Holtenauer Straße herrscht die tägliche Routine: Zwischen munteren Floskeln, dem Rauschen des Föns und Scherengeklapper wird das Haar der Kundschaft gefärbt, gestutzt und frisiert. Strähnen aller Art fallen wie selbstverständlich auf den Boden, um schon wenig später von einem der Mitarbeiter ganz nebenbei zusammengefegt und entsorgt zu werden. Warum auch dem Zopf zu viel Bedeutung beimessen, wenn er doch sowieso wieder nachwächst? Die Antwort lautet: Weil eine große Anzahl erkrankter Menschen kein einziges Haar mehr auf dem Kopf trägt. Die für manchen so selbstverständliche, wenn nicht lästige Haarpracht ist für jene ein wertvolles Gut.
Innerhalb von Sekunden flechtet Friseurin Maria Zink die feinen, dunkelblonden Strähnen von Steffi Kriebel zu einem Zopf. Das ist notwendig, um diese gebündelt spenden zu können. „Es kommt gerade mal alle vier Monate vor, dass jemand sein Haar aufbewahrt“, erzählt die Friseurin, „dabei können schon 15 ungefärbte Zentimeter für eine Perücke verwendet werden.“ Noch ein Haargummi drum – dann kommt die Schere zum Einsatz.
So richtig aufgeregt sieht Steffi nicht aus. „Ich habe früher oft mit meinen Haaren experimentiert, schon die unterschiedlichsten Frisuren ausprobiert“, erklärt sie, weshalb sie nicht an ihrer Länge hängt. Dennoch entscheidet sie sich heute zum ersten Mal, ihr Haar zu spenden. Bisher fehlte die öffentliche Präsenz des Themas, ein konkreter Kontakt, um zur Tat zu schreiten. Dabei drückt das Bedürfnis zu helfen schon lange. Denn als Medizinisch-technische Assistentin begegnet Steffi im Städtischen Krankenhaus immer wieder Krebspatienten, die nach der Chemotherapie lernen müssen, mit einem kahlen Kopf zu leben. Vor einigen Monaten wurde sie in der Brunswiker Straße auf ein ungewöhnliches Schild aufmerksam. „Wir kaufen Ihre Haare!“ stand im Schaufenster von Elke Haarersatz in großen Buchstaben geschrieben.
Das kleine Geschäft ist für die engagierte Frau heute die nächste Station. Sobald die Frisur sitzt, kann es mit dem Zopf in der Tüte losgehen. Vor Ort präsentiert ihr die freundliche Mitarbeiterin eine Perücke, dessen Haarfarbe und –struktur mit Steffis nahezu identisch sind. „Darf ich mal anfassen?“, fragt sie fasziniert und fährt vorsichtig mit den Fingern durch die glänzenden Strähnen. So etwas Kunstvolles wird nun also aus dem Zopf hergestellt. Aus Staunen wird Empathie, als ihr die Spezialistin erzählt, welche Bereicherung diese Perücke für das Leben einer kranken Person darstellen könnte: „Das Haar, das nicht verkauft, sondern gespendet wird, erreicht erkrankte Kinder. Besonders in der Pubertät ist es wichtig, natürliches Aussehen und somit ein Zugehörigkeitsgefühl zu ermöglichen.“ Leider ist das Knüpfen der Strähnen komplizierte Handarbeit, die ihren Preis hat – dunkles, kräftiges Haar liegt bei 1000 Euro aufwärts, helle Echthaarperücken sind seltener und wesentlich teurer.
Während Steffi der Verkäuferin lauscht, verzieht sie ernst ihre Stirn. Die Thematik lässt sie ihre eigene Gesundheit, ihr Haar, dankbarer betrachten. So ist sie froh, ihren Zopf gespendet zu haben: „Ich hoffe, in Zukunft mehr Menschen auf diese Option aufmerksam machen zu können. Es ist eine so simple Möglichkeit, zu helfen!“